Auch der Betreiber einer Maschine hat Pflichten

Andreas Schunkert • 9. Oktober 2024

Die Sicherheit am Arbeitsplatz ist ein zentrales Anliegen in der Industrie. Maschinenbetreiber tragen eine entscheidende Verantwortung, um Gefahren zu minimieren und die Sicherheit ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten. Zu den wichtigsten Betreiberpflichten gehört die regelmäßige Prüfung der vorhandenen Schutzmaßnahmen. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, die Bedeutung dieser Prüfungen sowie die praktischen Schritte zur Umsetzung.

Rechtliche Grundlagen


In Deutschland sind die Betreiberpflichten für Maschinenbetreiber im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) und der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) festgelegt. Diese Vorschriften verlangen von den Betreibern, dass sie sicherstellen, dass Maschinen und Anlagen sicher betrieben werden können. Hierzu zählen die Implementierung von Schutzmaßnahmen sowie deren regelmäßige Überprüfung.


Laut § 3 BetrSichV sind Arbeitgeber verpflichtet, die Gefährdungen zu ermitteln und geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen. Diese Maßnahmen müssen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Dies beinhaltet sowohl technische Schutzmaßnahmen (z. B. Schutzeinrichtungen) als auch organisatorische Maßnahmen (z. B. Schulungen).


Haben Sie z.B. eine kollaborierende Roboteranwendung in Ihrem Unternehmen, so sind Sie verpflichtet, die Wirksamkeit der Kollisionserkennung durch jährliche Wiederholungsmessungen zu prüfen und zu dokumentieren. Nutzen Sie Laserscanner oder Lichtgitter, so müssen Sie einmal pro Jahr prüfen, ob die Reaktions- und Anhaltezeit der Maschine noch den Anforderungen entspricht. Sie müssen eine jährliche Stoppzeit und Stoppwegmessung durchführen.


Bedeutung der regelmäßigen Prüfungen


Die regelmäßige Prüfung von Schutzmaßnahmen ist entscheidend, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Maschinen unterliegen Abnutzungs- und Alterungsprozessen, die ihre Sicherheit beeinträchtigen können. Ein Beispiel ist die Abnutzung von Schutzeinrichtungen, die den Zugang zu gefährlichen Bereichen der Maschine verhindern sollen.


Durch regelmäßige Prüfungen können Betreiber:


  1. Sicherheitsrisiken frühzeitig erkennen: Potenzielle Gefahren können identifiziert und behoben werden, bevor es zu Unfällen kommt.
  2. Rechtlichen Verpflichtungen nachkommen: Die Nichteinhaltung der Prüfpflichten kann rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, einschließlich Bußgeldern oder Haftung für Unfälle.
  3. Das Vertrauen der Mitarbeiter stärken: Ein sicheres Arbeitsumfeld fördert das Vertrauen und die Motivation der Mitarbeiter, was sich positiv auf die Produktivität auswirkt.


Praktische Umsetzung der Prüfungen


Um die Verpflichtungen zur regelmäßigen Prüfung der Schutzmaßnahmen effektiv umzusetzen, sollten Betreiber folgende Schritte in Betracht ziehen:


  1. Erstellung eines Prüfplans: Definieren Sie einen klaren Zeitrahmen für die Prüfungen basierend auf der Art der Maschinen und den spezifischen Risiken.
  2. Dokumentation: Führen Sie Protokolle über durchgeführte Prüfungen, festgestellte Mängel und durchgeführte Maßnahmen. Dies dient nicht nur der Nachverfolgbarkeit, sondern kann auch als Nachweis bei Audits oder Inspektionen dienen.
  3. Schulung der Mitarbeiter: Stellen Sie sicher, dass alle Mitarbeiter, die mit den Maschinen arbeiten, über die sicherheitsrelevanten Aspekte informiert sind und wissen, wie sie Schutzmaßnahmen überprüfen können.
  4. Zusammenarbeit mit Fachleuten: In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, externe Fachleute hinzuzuziehen, um die Prüfungen durchzuführen oder die Betreiber bei der Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen zu unterstützen.


Fazit


Die regelmäßige Prüfung von Schutzmaßnahmen ist eine essentielle Betreiberpflicht, die sowohl rechtliche als auch praktische Dimensionen hat. Durch die Implementierung eines strukturierten Prüfprozesses können Maschinenbetreiber nicht nur gesetzliche Anforderungen erfüllen, sondern auch aktiv zur Sicherheit am Arbeitsplatz beitragen. Ein sicheres Arbeitsumfeld ist nicht nur ein rechtliches Gebot, sondern auch ein fundamentaler Bestandteil erfolgreicher Unternehmensführung.


Sie haben Fragen zu diesem Thema oder benötigen Unterstützung bei der Umsetzung Ihrer Betreiberpflichten. Gerne bieten wir Ihnen eine jährliche Prüfung Ihrer Schutzmaßnahmen an. Wir führen die geforderten Kraft- und Druckmessungen an Ihrer kollaborierenden Roboterapplikation durch und Messen die Wirksamkeit Ihrer Laserscanner und Lichtgitter im Rahmen einer Stoppzeit und Stoppwegmessung. Sprechen Sie uns gerne an.


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Die Veröffentlichung der neuen ISO 10218 mit Ihren beiden Teilen für Roboter und Roboterapplikationen rückt immer näher und sollte bis Ende 2024 erfolgen. Eine der wesentlichen Veränderungen in der Neufassung dieser Norm sollten wir jedoch bereits vorab schon einmal verinnerlichen. Der Begriff „Cobot“ oder „kollaborierender Roboter“ muss weg! Wir müssen endlich verstehen, dass ein Roboter (egal welcher Hersteller) nicht kollaborierend sein kann. Wir können zwar Applikationen kollaborierend gestalten, indem wir entsprechende Risikominderungsmaßnahmen vornehmen (z.B. die Verwendung der Kraft- und Leistungsbegrenzung eines Roboters), jedoch ist auch ein „Cobot“ an dessen Ende ein Messer montiert ist alles andere als ein kollaborativer Roboter. Wir sollten damit anfangen diese Art der Roboter als „Roboter mit erweiterten Sicherheitsfunktionen“ bezeichnen. Denn genau das sind sie.  Die Neufassung der ISO 10218 wird diesen Aspekt auch genauso wieder spiegeln. In der Fassung von 2011 findet sich noch die Definition eines „kollaborierenden Roboters“ im Teil 2 als Roboter, der designet wurde, um direkte Interaktionen mit dem Meschen in einem kollaborativen Arbeitsraum durchzuführen. In der Neufassung ist diese Definition aus o.g. Gründen bewusst weggefallen. In der bald veröffentlichten Version wird nur noch die kollaborative Applikation definiert und behandelt, was auf jeden Fall der Weg in die richtige Richtung ist. Nun muss es nur noch in die Köpfe der Anwender und vor allem in die Köpfe der Marketingabteilungen der Hersteller rein, dass es keinen „Cobot“ gibt und dieses Wort der Vergangenheit angehören sollte. Des Weiteren wird es in Zukunft auch noch eine weitere Änderung in der Normenwelt geben. Die fast jedem bekannte ISO/TS 15066, welche leider auch den Begriff „Kollaborative Roboter“ trägt, soll von einer TS in eine ISO-Norm umgewandelt werden. Da der Hauptteil der ISO/TS 15066 bereits in die Neufassung der ISO 10218-2 übernommen wurde, wird dieser Inhalt nicht mehr in einer zusätzlichen Norm benötigt. Die 15066 als ISO-Norm wird sich dann hauptsächlich auf den jetzigen Anhang A – die biomechanischen Grenzwerte - beziehen. Auch hier wird dann der Titel der Norm nicht mehr „Kollaborierende Roboter“ sein, was dann das letzte Argument für die Bezeichnung eines Roboters als kollaborierenden Roboters aus der Normenwelt entfernt. Als kleine Zusatzinformation sei hier noch angemerkt, dass die Umwandlung der ISO/TS 15066 in eine ISO-Norm noch gut ein bis zwei Jahre dauern wird und mehrere Teile für eine ISO 15066 geplant sind: Teil 1 = Biomechanische Grenzwerte aus jetziger ISO/TS 15066 Teil 2 = Jetziger Inhalt der ISO/PAS 5672 Teil 3 = Berechnungsmethoden zur modelbasierten Kollisionskraftermittlung Es ist aber davon auszugehen, dass die Teile 2 und 3 hier noch länger als ein bis zwei Jahre bis zur Veröffentlichung benötigen. Aber dennoch sollten wir JETZT bereits damit anfangen, das Wort „Cobot“ oder auch „kollaborierender Roboter“ aus unseren Köpfen zu löschen. Wir müssen damit beginnen zu verstehen, dass nur Applikationen kollaborierend sein können!
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2004 und damit vor fast 20 Jahren wurde der erste kollaborative Roboter, der LBR 3 verkauft. Da sollte man doch meinen, dass wir heute im Jahr 2023 kollaborative Roboter sicher einsetzen können und es umfängliche Regeln gibt, welche den Einsatz in den unterschiedlichsten Applikationen genau definieren. Leider ist es jedoch nicht ganz so. Zwar wurde 2016 (12 Jahre nach dem ersten Cobot auf dem Markt) die ISO TS 15066, mit Regeln für die Anwendung von kollaborativen Roboterapplikationen, veröffentlicht. Jedoch unterscheidet diese in ihrer Betrachtung nicht wirklich Applikationen bei denen ein Cobot tatsächlich 24/7 Seite an Seite mit einem Mitarbeiter zusammen arbeitet und solche Anwendungen, bei denen der Roboter zwar ohne Schutzzaun arbeitet aber eigentlich weit und breit kein Mitarbeiter in der Nähe ist. Schaut man in die ISO 12100 - Sicherheit von Maschinen - Risikobeurteilung und Risikominderung, so findet man dort, dass sich das Risiko aus den Faktoren "Schwere der möglichen Verletzung" und der "Wahrscheinlichkeit des Auftretens" zusammen setzt. Im letzteren Faktor sind die Aufenthaltsdauer im Gefahrenbereich, die Frequenz mit der man in den Gefahrenbereich eintritt und die Möglichkeit der Vermeidung des Schadens inkludiert. Schaut man nun in die ISO TS 15066, so findet sich dort in der Anlage A eine Auflistung an Kräften und Drücken welche den Schmerzeintritt definieren. Diese Werte werden nun seit Jahren für alle kollaborierenden Applikationen gleicher-maßen heran gezogen und als Obergrenze gesetzt. Ganz gleich ob die Applikation eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Kollision zwischen Mensch und Roboter aufweist, da sich ein Mitarbeiter im normalen Arbeitsprozess ständig in der Nähe des Roboters aufhält, oder ob die Wahrscheinlichkeit eher gering ist, da der Cobot für sich alleine arbeitet und nur alle paar Stunden mal ein Mitarbeiter vorbei schaut und z.B. ein neues Tray bei einer Maschinenbeladung einlegt. Das Betrachten beider Applikationen mit den gleichen Maximalwerten für Kraft und Druck kommt mit Hinblick auf die oben beschriebene Ermittlung des Risikos nach ISO 12100 dem berühmten Vergleichen von Äpfel und Birnen gleich! Nehmen Sie einmal an, sie bewerten die Klemmung einer Hand nach der oben genannten ISO TS 15066. Nachfolgend ist hierzu ein Auszug aus der Anlage 1 dargestellt. Wie Sie sehen, wird hier die maximale Kraft mit 140N für eine Klemmung und einem transienten Faktor von 2 beziffert. Der transiente Faktor bezieht sich dabei auf eine zulässige Überhöhung in den ersten 0,5 Sekunden. Es dürfte so also bei einer Messung in einer Applikation 280N in den ersten 0,5 Sekunden auftreten und 140N nach 0,5 Sekunden. Liegt einer der beiden gemessenen Werte über diesen Werten so wäre die Applikation nach dieser Technischen Spezifikation (TS) als nicht sicher zu bewerten.